Protokolle 1–6 (2003–2005)

Protokolle der 1. bis 6. Tagung aus den Jahren 2003 bis 2005:

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1. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg am 10. und 11. Mai 2003
2. Tref­fen bei der Sek­ti­on Geschich­te Japans der Ruhr-Universität Bochum am 1. und 2. Novem­ber 2003
3. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Hal­le am 8. und 9. Mai 2004
4. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Bonn am 6. und 7. Novem­ber 2004
5. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Tübin­gen am 7. und 8. Mai 2005
6. Tref­fen am Ost­asia­ti­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Zürich am 5. und 6. Novem­ber 2005 

favicon021. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Hei­del­berg am 10. und 11. Mai 2003:

Anwe­send in Hei­del­berg waren: Tho­mas Bütt­ner (Hei­del­berg), Hans Mar­tin Krä­mer (Bochum), Peter Lutum (Ham­burg), Marc Mat­ten (Bonn), Harald Mey­er (Zürich), Bir­git Pan­sa (Hei­del­berg), Wolf­gang Scha­mo­ni (Hei­del­berg), Anke Sche­rer (Bochum), Jan Schmidt (Hei­del­berg), Tino Schölz (Hal­le), Wolf­gang Sei­fert (Hei­del­berg), Maik Hen­drik Sprot­te (Hei­del­berg), Det­lev Taran­c­zew­ski (Bonn), Chris­ti­an Uhl (Hei­del­berg)

Auf dem Pro­gramm stand am Sams­tag zunaechst ein Vor­trag von Tino Schölz zum The­ma „Ishi­wa­ra Kan­ji und Deutsch­land“. Durch gründ­li­che Archiv­stu­di­en konn­te er die gän­gi­ge Auf­fas­sung berich­ti­gen, Ishi­wa­ra habe deut­sche Dis­kus­sio­nen bei der Erar­bei­tung sei­ner Posi­ti­on zum tota­len Krieg nur ober­fläch­lich rezi­piert. Ishi­wa­ra hat­te wäh­rend sei­nes Deutsch­land­auf­ent­hal­tes viel­mehr Kon­takt zu hohen Offi­zie­ren und las das deut­sche Schrift­tum inten­siv. Sei­ne Aus­ein­an­der­set­zung mit der deut­schen Dis­kus­si­on ist auch in sei­nen eige­nen Wer­ken an zahl­rei­chen Stel­len zu bele­gen. Die sich an den Vor­trag anschlies­sen­de Dis­kus­si­on kon­zen­trier­te sich auf die Fra­ge nach Ishi­wa­ras Reprä­sen­ta­ti­vi­tät und mög­li­che Ein­flüs­se auf Ishi­wa­ras Hal­tung zum Krieg gegen Chi­na 1937, den er ablehn­te, was zu sei­nem Sturz führte.

Der zwei­te Block des Sams­tag­nach­mit­ta­ges wid­me­te sich einer Dis­kus­si­on zum The­ma „Abgren­zung von Zeit­ge­schich­te und Poli­tik­wis­sen­schaft“. Dem kur­zen Input­re­fe­rat von Hans Mar­tin Krä­mer folg­te ein reger Mei­nungs­aus­tausch, an dem sich alle Anwe­sen­den betei­lig­ten. Die Dis­kus­si­on kreis­te einer­seits um mög­li­che Abgren­zungs­kri­te­ri­en hin­sicht­lich ver­schie­de­ner Metho­den, Gegen­stän­de oder Zie­le von Geschichts­wis­sen­schaft auf der einen und Sozi­al­wis­sen­schaf­ten auf der ande­ren Sei­te. Ande­rer­seits wur­de die­se Fra­ge­stel­lung selbst als künst­li­che Tren­nung kri­ti­siert, wor­auf­hin sich die Dis­kus­si­on mehr um die Fra­ge der Abgren­zung von Zeit­ge­schich­te zur Geschich­te bzw. Zeit­ge­schich­te zur Gegen­wart dreh­te. Natür­lich konn­te die Fra­ge nicht abschlie­ßend geklärt wer­den; allein der Aus­tausch aber sen­si­bi­li­sier­te den einen oder die ande­re viel­leicht für Fra­ge­stel­lun­gen, denen man bis­lang nicht die erfor­der­li­che Auf­merk­sam­keit gewid­met hatte.

Die ange­neh­me Atmo­sphä­re der Dis­kus­sio­nen wur­de beim gemein­sa­men Abend­essen fort­ge­setzt. Am Sonn­tag stand dann ein Vor­trag von Chris­ti­an Uhl zum The­ma „Die Sym­po­si­en der Kyôto-Schule“ auf dem Pro­gramm. Chris­ti­an Uhl stell­te drei zadan-kai der Nishida-Schüler Nis­hita­ni Kei­ji, Suzu­ki Shi­ge­ta­ka, Kôya­ma Iwao und Kôsa­ka Masaa­ki vor, die 1942 und 1943 in „Chûô kôron“ ver­öf­fent­licht wur­den. Sein Vor­trag klär­te zunächst detail­liert die ideen­ge­schicht­li­chen Erb­schaf­ten, auf denen die Aus­füh­run­gen der Teil­neh­mer der zadan-kai grün­de­ten. Hin­sicht­lich der poli­ti­schen Wer­tung die­ser zur Zeit des tota­len Krie­ges statt­fin­den­den Gesprä­che zeig­te Uhl sich skep­tisch über die in letz­ter Zeit ver­öf­fent­lich­ten apo­lo­ge­ti­schen Inter­pre­ta­tio­nen. Die anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on the­ma­ti­sier­te sowohl die­se Fra­ge der poli­ti­schen Bewer­tung als auch die all­ge­mei­ne­re des Ein­flus­ses von Intel­lek­tu­el­len im Japan der Kriegszeit.

Ein wei­te­rer Block am Sonn­tag war der Fra­ge gewid­met, wie mit der Initia­ti­ve zur his­to­ri­schen Japan­for­schung wei­ter zu ver­fah­ren sei. Maik Hen­drik Sprot­te erklär­te sich bereit, eine lau­fen­de Biblio­gra­fie deutsch­spra­chi­ger Ver­öf­fent­li­chun­gen zur japa­ni­schen Geschich­te zu erstel­len. Dazu sind alle mit der japa­ni­schen Geschich­te Befaß­ten auf­ge­for­dert, ihm Fun­de zukom­men zu las­sen. Das Spek­trum auf­zu­neh­men­der Daten reicht von Mono­gra­fien und wis­sen­schaft­li­chen Auf­sät­zen bis hin zu (schwe­rer zu recher­chie­ren­den) Zei­tungs­ar­ti­keln. Gesam­melt wer­den sol­len zunächst Ver­öf­fent­li­chun­gen ab dem 1. Janu­ar 2003. Die Biblio­gra­fie wird in geeig­ne­ter Form ver­öf­fent­licht werden.

Fuer die Zukunft wur­de ein­ver­nehm­lich fest­ge­hal­ten, sich zunächst ein­mal im Semes­ter in ver­gleichs­wei­se infor­mel­ler Atmo­sphä­re (benkyô-kai-Cha­rak­ter) zu tref­fen. Dis­kus­sio­nen soll, wie an die­sem Wochen­en­de auch, brei­ter Raum gewährt wer­den. Zu die­sem Zweck sol­len, wenn mög­lich, vor dem nächs­ten Tref­fen recht­zei­tig an alle Teil­neh­me­rIn­nen The­sen zu den Vor­trä­gen und Dis­kus­sio­nen ver­schickt werden.

(Pro­to­koll: Hans Mar­tin Krämer)

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favicon012. Tref­fen bei der Sek­ti­on Geschich­te Japans der Ruhr-Universität Bochum am 1. und 2. Novem­ber 2003:

Anwe­send in Bochum waren: Gün­ter Dis­tel­rath (Bonn), Ulrich Goch (Bochum), And­re Hertrich (Mün­chen), Hans Mar­tin Krä­mer (Bochum), Peter Lutum (Ham­burg), Regi­ne Mathi­as (Bochum), Marc Mat­ten (Bonn), Andre­as Nie­haus (Köln), Oda Ken­ji (Erfurt), Erich Pau­er (Mar­burg), Anke Sche­rer (Bochum), Jan Schmidt (Hei­del­berg), Kat­ja Schmidt­pott (Bochum), Tino Schölz (Hal­le), Wolf­gang Sei­fert (Hei­del­berg), Maik Hen­drik Sprot­te (Hei­del­berg), Edith Wag­ner (Erlangen-Nürnberg), Anne­li Wal­len­to­witz (Bonn) sowie meh­re­re Stu­die­ren­de aus Bochum

Das Tref­fen begann am Sams­tag Nach­mit­tag mit einem Vor­trag von Andre­as Nie­haus mit dem Titel „ ‚Die Biss­stel­len der Blut­egel jucken‘ — Über­le­gun­gen zum Kör­per im Edo-zeitlichen Japan“. Aus­ge­hend von dem im Titel genann­ten Aus­schnitt aus einem Gedicht von Bas­hô stell­te Nie­haus die Fra­ge, ob und wie das Kör­per­emp­fin­den der Edo-Zeit heu­te nach­emp­fun­den wer­den kann. Gestützt u.a. auf Michel Fou­cault und Phil­ipp Sara­sin erläu­ter­te Nie­haus zunächst, dass ‚der Kör­per‘ his­to­risch und kul­tu­rell rela­tiv ist. Von Inter­es­se sei­en in die­sem Zusam­men­hang ins­be­son­de­re Kör­per­tech­ni­ken und die Fra­ge, wie die­se über­nom­men wer­den. Dies gesche­he durch unbe­wuss­te Über­nah­men; Kör­per­tech­ni­ken sei­en aber auch durch Macht codiert und wür­den durch dis­zi­pli­nie­ren­de und regu­lie­ren­de Vor­schrif­ten geformt.

Gesund­heits­vor­schrif­ten zu Hygie­ne und Diä­te­tik stün­den dabei an der Schnitt­stel­le zwi­schen Indi­vi­du­um und Gesell­schaft und sei­en daher beson­ders inter­es­sant. Eine Quel­le die­ser Art stellt Nie­haus dann aus­führ­lich in Gestalt von Kai­ba­ra Ekkens „Yôjô-kun“ von 1713 vor. Pro­ble­ma­ti­siert wur­den von Nie­haus dabei u.a. der Ver­brei­tungs­grad der Schrift, ihre Wir­kung bis in die Meiji-Zeit hin­ein sowie der Inhalt hin­sicht­lich der drei Per­spek­ti­ven Koer­per­vor­stel­lung all­ge­mein, Gesund­heits­vor­sor­ge als Kampf und Gesund­heits­vor­sor­ge und Macht­dis­kurs. Gesund­heits­vor­sor­ge bei Kai­ba­ra sei ein Weg erlern­ba­rer Tech­ni­ken; Krank­hei­ten sei­en zunächst eine auf eige­nes Ver­schul­den zurück­zu­füh­ren­de Ver­nach­läs­si­gung die­ser Tech­ni­ken. Über­dies ver­knüp­fe Kai­ba­ra die Sor­ge um den eige­nen Kör­per mit der Sor­ge um die Fami­lie und den Herrn, wodurch Gesund­heits­vor­sor­ge zu einer Fra­ge der Moral werde.

Die Dis­kus­si­on kon­zen­trier­te sich auf die Fra­ge der Aus­sa­ge­fä­hig­keit des „Yôjô-kun“. Obwohl es sich um eines der meist­auf­ge­leg­ten Bücher der Edo-Zeit han­del­te, sei doch klar, dass die Lese­rIn­nen­schaft nur aus einem sehr klei­nen Teil der Gesell­schaft bestan­den haben kön­ne. Es sei frag­lich, inwie­fern über­haupt ein ein­zel­nes Buch Grund­la­ge für die Nach­emp­fin­dung von Kör­per­emp­fin­den wäh­rend der Edo-Zeit sein könn­te — allen­falls leg­ten die dort gesam­mel­ten Vor­schrif­ten Rück­schlüs­se auf im Volk gera­de nicht prak­ti­zier­ten Tech­ni­ken nahe. Eher als die direk­te Lek­tü­re des Tex­tes sei viel­leicht des­sen Ver­mitt­lung, etwa in den ter­a­koya, von Interesse.

Für den zwei­ten Block am Sams­tag stand eine „Dis­kus­si­on zur Fra­ge nach dem Ver­hält­nis von Japa­no­lo­gie und Geschichts­wis­sen­schaft“ auf dem Pro­gramm. Tino Schölz hielt das Input­re­fe­rat, in dem er zunächst als Befund kon­sta­tier­te, dass die his­to­ri­sche Japan­for­schung trotz einer gewis­sen in letz­ter Zeit fest­stell­ba­ren Hin­wen­dung der all­ge­mei­nen Geschichts­wis­sen­schaft zu aus­ser­eu­ro­päi­schen The­men ihre Prä­senz und Sich­bar­keit in der all­ge­mei­nen Geschichts­wis­sen­schaft nicht ver­staer­ken konn­te. Schölz führ­te dies nicht nur auf Wider­stän­de auf Sei­ten der Geschichts­wis­sen­schaft zurück, son­dern auch auf Pro­ble­me, die inner­halb der his­to­ri­schen Japan­for­schung bestehen. Hier nann­te er zum einen die Struk­tur des Faches in der Leh­re (Geschich­te Japans meist als Teil der Japa­no­lo­gie) und den hohen Arbeits­auf­wand der i.d.R. in klei­nen orga­ni­sa­to­ri­schen Ein­hei­ten an Uni­ver­si­tä­ten Täti­gen, zum ande­ren die ver­spä­te­te Rezep­ti­on aktu­el­ler Trends der geschichts­wis­sen­schaft­li­chen Dis­kus­si­on und die nach wie vor häu­fig anzu­tref­fen­de inhalt­li­che Schwer­punkt­set­zung, die einem Selbst­ver­ständ­nis als Regio­nal­wis­sen­schaft fol­ge und nicht zum all­ge­mei­nen his­to­ri­schen Dis­kurs, son­dern zum Wis­sen über Japan bei­tra­gen wolle.

Die selbst­kri­ti­schen Aspek­te wur­den in der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on lei­der fast über­haupt nicht the­ma­ti­siert, statt­des­sen beschränk­te man sich auf wei­te­re mög­li­che Ursa­chen auf Sei­ten der all­ge­mei­nen Geschichts­wis­sen­schaft. Als Indi­zi­en wur­den genannt: Nicht­be­rück­sich­ti­gung von Außereuropa-HistorikerInnen bei der Beset­zung von Lehr­stüh­len, Aus­gren­zung bei wis­sen­schaft­li­chen Kon­fe­ren­zen, Igno­rie­ren von Publi­ka­tio­nen (z.B. sel­ten Rezen­sio­nen von japan­be­zo­ge­nen Wer­ken in all­ge­mei­nen Zeit­schrif­ten). Die Grund­stim­mung war skep­tisch, und auch die Anre­gung Schölz‘, eine Bes­se­rung dadurch zu errei­chen zu suchen, ver­glei­chend zu arbei­ten und sich ver­stärkt der Pro­blem­ge­schich­te zuzu­wen­den, blieb weit­ge­hend ohne Resonanz.

Der Sonn­tag Vor­mit­tag galt der Vor­stel­lung lau­fen­der Arbei­ten und Pro­jek­te. Die Teil­neh­me­rIn­nen mach­ten von die­ser Gele­gen­heit unter­schied­lich inten­siv Gebrauch; eini­ge ver­teil­ten auch Hand­outs oder The­sen­pa­pier zu ihren lau­fen­den oder abge­schlos­se­nen Qua­li­fi­ka­ti­ons­ar­bei­ten. Wolf­gang Sei­fert stell­te das Vor­ha­ben zur Dis­kus­si­on, in einem grö­ße­ren Per­so­nen­kreis Quel­len zur neue­ren japa­ni­schen Geschich­te sorg­fäl­tig ins Deut­sche zu über­set­zen und zu kom­men­tie­ren und eine sol­che Quel­len­samm­lung zu publi­zie­ren, in Hin­blick auf die Dis­kus­si­on vom Vor­tag auch mit der Ziel­set­zung, die­se der all­ge­mei­nen Geschichts­wis­sen­schaft zur Ver­fü­gung zu stel­len. Berück­sich­ti­gung sol­len sowohl bekann­te­re, bereits in (unge­nü­gen­der) Über­set­zung vor­lie­gen­de Quel­len fin­den, als auch sol­che, die zumal in der deut­schen Dis­kus­si­on bis­lang eher unge­wohn­te Per­spek­ti­ven zu eröff­nen ver­mö­gen. Ein mög­li­ches Schwer­punkt­the­ma für eine sol­che Quel­len­samm­lung könn­te die Zeit des Faschismus/Ultranationalismus sein.

Der Vor­schlag wur­de mit gro­ßer Zustim­mung auf­ge­nom­men; einig war man sich aber, daß ein sol­ches Pro­jekt pro­fes­sio­nell und mit bezahl­ten Mit­ar­bei­te­rIn­nen durch­ge­führt wer­den müs­se. Der in der Dis­kus­si­on eben­falls auf­kom­men­de Wunsch nach einer Bestands­auf­nah­me bereits bestehen­der Über­set­zun­gen hin­ge­gen könn­te grund­sätz­lich auch ehren­amt­lich aus dem Per­so­nen­kreis der Initia­ti­ve her­aus umge­setzt wer­den. Dabei wäre eine Vor­ge­hens­wei­se wie bei der „Biblio­gra­phie zur his­to­ri­schen Japan­for­schung“ mög­lich, die Maik Hen­drik Sprot­te und Jan Schmidt der­zeit in Hei­del­berg auf­bau­en. Vor­schlä­ge für Auf­nah­men in die­se lau­fen­de Biblio­gra­phie von deutsch­spra­chi­gen Erschei­nun­gen zur japa­ni­schen Geschich­te kön­nen auf einem Online-Formular unter http://www.historische-japanforschung.de/ ein­ge­tra­gen wer­den, wo sich auch die Lis­te der bis jetzt auf­ge­nom­me­nen Bücher, Auf­sät­ze und Arti­kel findet.

Bei­de neu­en Vor­schlä­ge, die Quel­len­samm­lung sowie die Bestands­auf­nah­me über­setz­ter Quel­len, hofft die Initia­ti­ve bis zum nächs­ten Tref­fen kon­kre­ti­sie­ren zu können.

Der zwei­te Teil des Sonn­tags gehör­te dem Vor­trag von Marc Mat­ten zu „Zheng Cheng­gong — Tei Sei­kô (Koxin­ga) — Die Fabri­ka­ti­on eines dop­pel­ten Natio­nal­hel­den“. Mat­ten ging von all­ge­mei­nen Über­le­gun­gen zum Natio­na­lis­mus und der Bedeu­tung von Natio­nal­hel­den in Zei­ten der Ent­ste­hung von Natio­nal­hel­den und ins­be­on­de­re in post­ko­lo­nia­len Staa­ten aus. Sei­ne Hypo­the­se lau­te­te, daß jeder Natio­nal­held genau einem Natio­nal­staat zuzu­ord­nen sein müß­te. Der von ihm vor­ge­stell­te Fall Koxin­gas sei in die­sem Sin­ne die gros­se Aus­nah­me, da die­ser sowohl in Chi­na als auch in Japan ver­ehrt werde.

Koxin­gas wur­de als Sohn eines chi­ne­si­schen See­händ­lers und einer Japa­ne­rin in Hira­do gebo­ren, zog jedoch schon im Alter von neun Jah­ren mit sei­nem Vater nach Chi­na, wo er als Loya­list der Ming (gegen die Qing) und als Befrei­er Tai­wans von den Hol­län­dern zu Anse­hen gelang­te. Die bina­tio­na­le Abstam­mung Koxin­gas habe ihn bereits in der Lite­ra­tur des 17. und 18. Jahr­hun­derts zu einer wich­ti­ge­ren Figur sowohl in Chi­na als auch in Japan gemacht. In Chi­kamatsu Mon­z­ae­mons Stück „Koku­se­nya kas­sen“ von 1715 sei (gegen die his­to­ri­sche Rea­li­tät) die japa­ni­sche Sei­te Koxin­gas betont wor­den: So schreibt Chi­kamatsu, die japa­ni­sche Mut­ter habe Koxin­ga die Grund­zü­ge des bus­hi­dô bei­gebracht, und japa­ni­sche Göt­ter grei­fen bei ihm in die Gescheh­nis­se ein. In Chi­na sei Koxin­ga seit Ende des 19. Jahr­hun­derts zunächst v.a. als Vor­bild einer Anti-Qing-Politik genutzt wor­den. Die Ver­trei­bung der Hol­län­der von Tai­wan sei hin­ge­gen erst in der Volks­re­pu­blik the­ma­ti­siert wor­den. Die japa­ni­sche Abstam­mung sei in der frü­hen Volks­re­pu­blik zudem gar nicht erwähnt worden.

Die Dis­kus­si­on wid­me­te sich zum einen der Fra­ge, wie unge­wöhn­lich tat­säch­lich ein Natio­nal­held ist, der in ver­schie­de­nen Natio­nen jeweils als eige­ner Held ver­ehrt wird. Dem Publi­kum fie­len zahl­rei­che Bei­spie­le ein; wenn man den Begriff „Held“ weni­ger eng faßt, las­sen sich zumin­dest in Mit­tel­eu­ro­pa sehr vie­le Bei­spie­le fin­den. Fuer Ost­asi­en scheint es sich aber in der Tat bei Koxin­ga um einen Ein­zel­fall zu han­deln. Inter­es­se äußer­ten die Teil­neh­me­rIn­nen zum ande­ren dar­an, wie die wei­te­re kul­tu­rel­le Ver­ar­bei­tung der Figur Koxin­ga in Japan im 20. Jahr­hun­dert, ins­be­son­de­re wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs aus­ge­se­hen hat. Hier besteht noch Klärungsbedarf.

Ins­ge­samt war es ein anre­gen­des Wochen­en­de, das auch für die nächs­ten Tref­fen span­nen­de Dis­kus­sio­nen erhof­fen läßt.

(Pro­to­koll: Hans Mar­tin Krämer)

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favicon043. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Hal­le am 8. und 9. Mai 2004:

Anwe­send in Hal­le waren: Sil­ke Brom­ann (Hal­le), Eva Bur­zyn­ski (Hal­le), Tho­mas Bütt­ner (Hei­del­berg), Judith Fröh­lich (Zürich), Denis Gänk­ler (Hal­le), Masa­ko Haya­shi (Gifu / Leip­zig), And­re Hertrich (Mün­chen), Denis Krä­mer (Göt­tin­gen), Hans Mar­tin Krä­mer (Bochum), Robert Kramm (Erfurt), Marc Mat­ten (Bonn), Andre­as Nie­haus (Köln), Chris­ti­an Ober­län­der (Hal­le), Oda Ken­ji (Erfurt), Stef­fi Rich­ter (Leip­zig), Fabi­an Schä­fer (Leip­zig), Anke Sche­rer (Bochum), Jan Schmidt (Hei­del­berg), Tino Schölz (Hal­le), Man­dy Schu­mann (Hal­le), Wolf­gang Sei­fert (Hei­del­berg), Maik Hen­drik Sprot­te (Hei­del­berg), Det­lev Taran­c­zew­ski (Bonn), Edith Wag­ner (Erlan­gen), Anne­li Wal­len­to­witz (Bonn), Gesa Wes­ter­mann (Hagen)

Das Tref­fen begann am Sams­tag Nach­mit­tag mit einem Bei­trag von Anne­li Wal­len­to­witz, die ihre vor kur­zem abge­schlos­se­ne Magis­ter­ar­beit vor­stell­te. Ihr Vor­trag mit dem Titel „Der Impe­ria­lis­mus­dis­kurs in Japan im 20. Jahr­hun­dert vor dem Hin­ter­grund der klas­si­schen Impe­ria­lis­mus­theo­rien in der deut­schen Geschichts­wis­sen­schaft“ befass­te sich mit der Fra­ge nach den Para­me­tern, die von japa­ni­schen His­to­ri­kern her­an­ge­zo­gen wur­den, um die akti­ve Expan­si­ons­po­li­tik Japans zwi­schen dem letz­ten Drit­tel des 19. Jahr­hun­derts und der Teil­nah­me am Ers­ten Welt­krieg zu bewer­ten. Nach einer Vor­stel­lung der von der deut­schen Geschichts­wis­sen­schaft als „klas­sisch“ ein­ge­stuf­ten Impe­ria­lis­mus­theo­rien von Fried­jung, Hob­son, Schum­pe­ter, Hil­fer­ding, Luxem­burg und Lenin unter­such­te sie den Stel­len­wert die­ser Theo­rien in Japan bis in die 1930er Jah­re. Sie kam dabei zu dem Ergeb­nis, dass — obwohl alle klas­si­schen Impe­ria­lis­mus­theo­rien in den 1920er Jah­ren in Japan bekannt waren — die Dis­kus­si­on seit der Mit­te der 20er Jah­re aus­schließ­lich von marxistisch-orientierten Theo­re­ti­kern anhand von Lenins Defi­ni­ti­on des Impe­ria­lis­mus als höchs­tem Sta­di­um des Mono­pol­ka­pi­ta­lis­mus geführt wur­de. Als Grund hier­für nann­te sie die Struk­tur des japa­ni­schen Wis­sen­schafts­be­triebs, ein Punkt der in der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on wie­der auf­ge­nom­men wur­de mit dem Hin­weis, dass nicht-marxistisch aus­ge­rich­te­te japa­ni­sche His­to­ri­ker der dama­li­gen Zeit sich fast nur mit der Zeit vor 1868 beschäf­tig­ten und damit die Dis­kus­si­on der nach­fol­gen­den Gescheh­nis­se einer auf eine ein­zi­ge Ideo­lo­gie aus­ge­rich­te­ten Grup­pe über­lie­ßen. Auch der berühm­tes­te Kri­ti­ker des japa­ni­schen Impe­ria­lis­mus, Yanai­ha­ra Tadao, argu­men­tier­te letzt­end­lich mit mar­xis­ti­schen Kate­go­rien. In der japa­ni­schen Kolo­ni­al­bü­ro­kra­tie, die sich vor allem um die prag­ma­ti­schen Fra­gen von Herr­schaft und Kon­trol­le küm­mer­te, wur­de die theo­re­ti­sche Dis­kus­si­on hin­ge­gen kaum rezi­piert. Im Ver­gleich zu dem his­to­ri­schen Zugriff in Deutsch­land, in des­sen Rah­men das Phä­no­men „Impe­ria­lis­mus“ sehr viel brei­ter unter­sucht wird, han­delt es sich in Japan somit um einen rein mar­xis­tisch geführ­ten Dis­kurs, der sich bis in die Begriff­lich­keit hin­ein an der Impe­ria­lis­muss­schrift Lenins orientiert.

Als zwei­ter Teil des Sams­tags­pro­gramms folg­te die all­ge­mei­ne Dis­kus­si­ons­run­de, dies­mal zum The­ma des Faschismus-Begriffs in der his­to­ri­schen Japan­for­schung. Eröff­net wur­de die Run­de durch zwei Input-Referate: Ein­mal mach­te sich Maik Hen­drik Sprot­te Gedan­ken über die Anwend­bar­keit des Ter­mi­nus ‚Faschis­mus‘ auf Japan zwi­schen 1937 und 1945, zum ande­ren klär­te Wolf­gang Sei­fert den Faschismus-Begriff, wie ihn Maru­ya­ma Masao in sei­nen Schrif­ten ver­wand­te. M. H. Sprot­te klär­te als Grund­la­ge für die Dis­kus­si­on zuerst Ele­men­te, die laut ver­schie­de­ner Theo­rien dem Faschis­mus zugrun­de lie­gen, dann stell­te er die Posi­ti­on des ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik­wis­sen­schaft­lers Gre­go­ry Kas­za zur Anwen­dung die­ser Theo­rien auf Japan vor. W. Sei­fert the­ma­ti­sier­te die Pro­ble­ma­tik des Ver­gleichs, hier von his­to­ri­schen Phä­no­me­nen in ver­schie­de­nen Län­dern, und erläu­ter­te das Vor­ge­hen Maru­ya­mas als „spe­zi­fi­zie­ren­den Ver­gleich“, d.h. Ver­gleich auf einer mitt­le­ren Abs­trak­ti­ons­ebe­ne mit der Her­aus­ar­bei­tung von Län­der­be­son­der­hei­ten. Maru­ya­ma wand­te sich sowohl gegen die mar­xis­ti­sche Impe­ria­lis­mus­theo­rie als auch gegen die klas­si­sche Faschis­mus­theo­rie und unter­such­te des­halb statt der öko­no­mi­schen Hin­ter­grün­de des Faschis­mus des­sen Trä­ger­schich­ten und Ideen. Die Dis­kus­si­on dreh­te sich vor allem um die Tat­sa­che, dass Faschis­mus in ers­ter Linie ein poli­ti­scher Begriff ist. Wenn von einem ana­ly­ti­schen Stand­punkt aus Kate­go­rien gebil­det wer­den, anhand derer ein Phä­no­men faschis­tisch genannt wer­den kann oder nicht, so führt dies gleich­zei­tig auch immer zu einer poli­ti­schen Anwen­dung, in der Faschis­mus als Kampf­be­griff eine abso­lut inak­zep­ta­ble Herr­schafts­form bezeich­net. Bei der Unter­su­chung der japa­ni­schen Geschich­te soll­te sich die Dis­kus­si­on über die Anwend­bar­keit des Faschis­mus­be­griffs auf Japan des­halb weni­ger auf eine abso­lu­te Ja-Nein-Feststellung, son­dern viel­mehr auf die ver­schie­de­nen Faschis­mus­de­fi­ni­tio­nen als heu­ris­ti­sche Kon­zep­te zur Unter­su­chung der Spe­zi­fi­ka des japa­ni­schen Sys­tems konzentrieren.

Am Sonn­tag Mor­gen stell­te Judith Fröh­lich ein Kapi­tel ihrer gera­de fer­tig gestell­ten Dis­ser­ta­ti­on zu Schrift­lich­keit und Münd­lich­keit im vor­mo­der­nen Japan vor. Am Bei­spiel von gut doku­men­tier­ten, lang­wie­ri­gen Strei­tig­kei­ten um Besitz­an­sprü­che des Gos­hûin, eines Tem­pels auf dem Koya­san, ging sie der Fra­ge nach, wel­chen Stel­len­wert einer­seits die schrift­li­chen Doku­men­te und ande­rer­seits ihre münd­li­che Prä­sen­ta­ti­on im Rechts­streit hat­ten. An die Vor­stel­lung die­ser metho­disch knif­fe­li­gen Auf­ga­be schloss sich eine Dis­kus­si­on über die Nach­voll­zieh­bar­keit münd­li­cher Kom­mu­ni­ka­ti­on in uns nur schrift­lich vor­lie­gen­dem Quel­len­ma­te­ri­al an. The­ma­ti­siert wur­den dabei vor allem ver­schie­de­ne Sprach­for­men der vor­lie­gen­den Quel­len, die teil­wei­se pro­to­kol­l­ar­ti­gen Cha­rak­ter haben oder in einer so schrift­sprach­li­chen Form vor­lie­gen, dass sie bei der Lesung vor Gericht expli­zit wei­te­rer münd­li­cher Erläu­te­rung bedurf­ten. Die schrift­lich vor­lie­gen­den Quel­len machen so ein Neben­ein­an­der von Schrift­lich­keit und ihrer münd­li­chen Per­fo­manz sowie die Rol­le von Ver­mitt­lern — d.h. Schrei­bern und des Lesens kun­di­ger Vor­trä­ger von Schrift­stü­cken — unabdingbar.

Letz­ter Pro­gramm­punkt des Tref­fens war die Mög­lich­keit zur Vor­stel­lung lau­fen­der Arbei­ten und Pro­jek­te. Dies nutz­ten André Hertrich, Gesa Wes­ter­mann und Tho­mas Bütt­ner zur Vor­stel­lung ihrer jewei­li­gen Dis­ser­ta­ti­ons­vor­ha­ben. A. Hertrich stell­te hier­bei kurz sein Pro­jekt zur japa­ni­schen Wie­der­be­waff­nung nach dem zwei­ten Welt­krieg vor. Dar­in fragt er u.a. nach den Kon­ti­nui­tä­ten und dem Erbe der Kai­ser­li­chen Armee in den Selbst­ver­tei­di­gungs­streit­kräf­ten. G. Wes­ter­mann forscht zu Deko­lo­ni­sa­ti­ons­be­we­gun­gen in Süd­ost­asi­en und der Rol­le Japans in den ent­spre­chen­den kolo­nia­len Eman­zi­pa­ti­ons­dis­kur­sen. Th. Bütt­ner steht noch ganz am Anfang sei­nes Dis­ser­ta­ti­ons­pro­jekts und gab des­halb erst ein­mal nur als The­men­be­reich die Geschich­te der „Tais­ei Yoku­san­kai“, der „Ver­ei­ni­gung zur Unter­stüt­zung der Kai­ser­herr­schaft“ im Japan der 1940er an. Das Tref­fen ende­te mit einer kur­zen Abstim­mung über das wei­te­re Vor­ge­hen (wei­ter­hin halb­jähr­li­che Tref­fen an ver­schie­de­nen japa­no­lo­gi­schen Insti­tu­ten) sowie über Ort und Datum des nächs­ten Treffens.

(Pro­to­koll: Anke Scherer)

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favicon054. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Bonn am 6. und 7. Novem­ber 2004:

Anwe­send in Bonn waren: Kazu­ko Fuji­sa­ki (Frei­burg), Shi­zu­ka Jäger (Bonn), Joel Joos (Lei­den), Hans Mar­tin Krä­mer (Bochum), Kers­tin Lukner (Bonn), Peter Lutum (Müns­ter), René M. Sal­men (Bonn), Ste­fa­nie Schä­fer (Tübin­gen), Anke Sche­rer (Bochum), Kat­ja Schmidt­pott (Bochum), Tino Schölz (Hal­le), Pawel Sickin­ger (Bonn), Maik Hen­drik Sprot­te (Hei­del­berg), Det­lev Taran­c­zew­ski (Bonn), Anne­li Wal­len­to­witz (Bonn), Gesa Wes­ter­mann (Hagen), Roland Win­gert (Bonn)

Das Tref­fen begann mit einem Vor­trag von Gesa Wes­ter­mann, die in ihrer Dis­ser­ta­ti­on die Rezep­ti­on des Russisch-Japanischen Krie­ges von 1904/05 in Süd­ost­asi­en unter­sucht. In der bis­he­ri­gen For­schung wur­de dem Sieg Japans über Russ­land all­ge­mein eine beson­de­re Bedeu­tung für die Eman­zi­pa­ti­ons­dis­kur­se in den süd­ost­asia­ti­schen Kolo­nien zuge­schrie­ben. Er sei, so das gän­gi­ge Bild, gera­de­zu mit Begeis­te­rung auf­ge­nom­men wor­den, habe er doch einer­seits die bis dato frag­los akzep­tier­te Annah­me einer Über­le­gen­heit des „Wes­tens“ erschüt­tert, ande­rer­seits die Moder­ni­sie­rungs­fä­hig­keit öst­li­cher Zivi­li­sa­tio­nen ein­drück­lich demons­triert. Die­se Sicht inner­halb der Südostasien-Forschung wur­de von der Refe­ren­tin nach­drück­lich in Fra­ge gestellt. So konn­te sie etwa am Bei­spiel Viet­nams bele­gen, dass hier zwar die poli­ti­sche Moder­ni­sie­rung Japans in der Tat eine gewich­ti­ge Rol­le in den Emanzipations- und Reform­de­bat­ten der indi­ge­nen Eli­ten spiel­te, die Japan­re­zep­ti­on und die Vor­bild­funk­ti­on Japans sich aber kei­nes­wegs auf den Russisch-Japanischen Krieg, son­dern viel­mehr auf die Rezep­ti­on der chi­ne­si­schen Reform­li­te­ra­tur vor 1900 zurück­füh­ren lässt. Auch im Fal­le der Phil­ip­pi­nen etwa ist eine begeis­ter­te Auf­nah­me des Russisch-Japanischen Krie­ges nicht beleg­bar. Hier ließ das Inter­es­se an Japan bereits nach dem Spanisch-Amerikanischen Krieg und der fol­gen­den eher als libe­ral zu bewer­ten­den Poli­tik der USA gegen­über den Phil­ip­pi­nen deut­lich nach.

Die sich als zwei­ter Pro­gramm­punkt anschlie­ßen­de Dis­kus­si­ons­run­de befass­te sich mit der Fra­ge der Ver­wen­dung und Anwend­bar­keit der Kon­zep­te Moder­ne und Moder­ni­sie­rung auf die japa­ni­sche Geschich­te des 20. Jahr­hun­derts. Zunächst stell­te Hans Mar­tin Krä­mer in sei­nem Input­re­fe­rat wich­ti­ge west­li­che und japa­ni­sche theo­re­ti­sche Ansät­ze zum The­ma „Moder­ni­sie­rung“ (Walt Ros­tow, Ulrich Beck, Katô Hide­to­shi, Yama­nou­chi Yasu­shi, Yasu­da Hiro­shi) vor und arbei­te­te dabei aus­führ­lich die unter­schied­li­chen Kri­te­ri­en, mit denen Moder­ne jeweils beschrie­ben wird, her­aus. Dabei warf er ins­be­son­de­re die Fra­ge auf, ob und inwie­weit die Begrif­fe kin­dai und gen­dai zur Peri­odi­sie­rung der japa­ni­schen Geschich­te des 20. Jahr­hun­derts die­nen kön­nen. In der sich an die­se ein­füh­ren­den Bemer­kun­gen anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on wur­de vor allem the­ma­ti­siert, wo der heu­ris­ti­sche Wert sol­cher Groß­kon­zep­te / theo­re­ti­scher Ansät­ze für die his­to­ri­sche Japan­for­schung liegt und lie­gen kann. Außer­dem wur­de her­aus­ge­ar­bei­tet, wo Epo­chen­gren­zen zeit­lich zu ver­or­ten wären. Schließ­lich ver­stän­dig­ten sich die Teil­neh­mer dar­über, dass die Ver­wen­dung der Begrif­fe kin­dai und gen­dai in den ver­schie­de­nen Teil­dis­zi­pli­nen der japa­ni­schen Geschich­te (etwa in der All­tags­ge­schich­te) eine durch­aus ande­re Bedeu­tung haben kann.

Der Sonn­tag begann mit einem Vor­trag von Peter Lutum zum The­ma „Wakon yôsai und wayô set­chu. Indi­ge­ne Bewäl­ti­gungs­stra­te­gien im moder­nen japa­ni­schen Den­ken.“ Dabei ver­wies der Refe­rent zunächst bei­de Begrif­fe in den Kon­text einer bereits seit dem Alter­tum vor­han­de­nen Fähig­keit zu Assi­mi­la­ti­on und Inte­gra­ti­on als kul­tu­rel­le Stra­te­gien der Aneig­nung des Frem­den und Bewusst­wer­dung des Eige­nen. Er leg­te dar, dass bei­de Stra­te­gien in der Bakumatsu- und Meiji-Zeit letzt­lich neu auf­ge­grif­fen wur­den und ver­deut­lich­te dies an der Begriffs­ge­schich­te bei­der Kon­zep­te. Die­ser Aspekt wur­de in der anschlie­ßen­den Dis­kus­si­on erneut auf­ge­grif­fen, indem nach einem wei­te­ren Bedeu­tungs­wan­del bei­der Begrif­fe gefragt wurde.

Schließ­lich beton­te der Refe­rent, dass eine Ana­ly­se indi­ge­ner Kate­go­rien — für die bei­de Begrif­fe hier exem­pla­risch stün­den — für die Japa­no­lo­gie neue Per­spek­ti­ven eröff­ne, da hier­durch der Gefahr einer Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on japa­ni­scher Geis­tes­ge­schich­te — die durch eine allei­ni­ge Ver­wen­dung west­li­cher metho­di­sche Ansät­ze durch­aus bestehe — begeg­net wer­den könne.

Vier­ter Pro­gramm­punkt war die Gele­gen­heit zur Kurz­vor­stel­lung lau­fen­der Pro­jek­te und Arbei­ten. Ste­fa­nie Schä­fer berich­te­te dabei von ihrem For­schungs­pro­jekt zu den Aus­ein­an­der­set­zun­gen um die Gestal­tung der Aus­stel­lung des Frie­dens­mu­se­ums von Hiro­shi­ma, für das sie bereits umfas­sen­de Mate­ri­al­re­cher­chen in Archi­ven in Hiro­shi­ma durch­ge­führt hat.

Tino Schölz stell­te im Anschluss dar­an ein Unter­richts­pro­jekt zum The­ma Ver­gan­gen­heits­be­wäl­ti­gung in Deutsch­land und Japan im Ver­gleich vor, das seit letz­tem Jahr in Koope­ra­ti­on zwi­schen den Uni­ver­si­tä­ten Hal­le und Tôkyô durch­ge­führt wird und des­sen lang­fris­ti­ges Ziel der Auf­bau eines bina­tio­na­len Gra­du­ier­ten­kol­legs zu die­sem The­men­kom­plex ist.

Hans Mar­tin Krä­mer wies noch­mals dar­auf hin, dass von der Home­page der Par­la­ments­bi­blio­thek Tôkyô inzwi­schen mehr als 54.000 Bän­de — und damit bereits ein wesent­li­cher Teil japa­ni­scher Tex­te — aus der Meiji-Zeit online zugäng­lich sind.

Maik Hen­drik Sprot­te schließ­lich stell­te ein Buch­pro­jekt „Mord und Selbst­mord. Zum Phä­no­men der Gewalt in der poli­ti­schen Geschich­te Japans“ vor, berich­te­te von sei­nem For­schungs­pro­jekt zu Ivar Liss­ner (1909–1967), einem Jour­na­lis­ten und Spi­on jüdi­scher Her­kunft, der wäh­rend des zwei­ten Welt­krie­ges für die deut­sche Abwehr in der Man­dschu­rei tätig war und hier im Umfeld der Sorge-Affäre eine nicht uner­heb­li­che Rol­le bei der Abbe­ru­fung von Bot­schaf­ter Ott gespielt haben soll, bevor er selbst unter dem Ver­dacht der Spio­na­ge für die Sowjet­uni­on in die Müh­len der japa­ni­schen Jus­tiz geriet.

(Pro­to­koll: Tino Schölz)

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favicon035. Tref­fen am Japa­no­lo­gi­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Tübin­gen am 7. und 8. Mai 2005:

Anwe­send in Tübin­gen waren: Nico­le Alt­mei­er (Tübin­gen), Klaus Anto­ni (Tübin­gen), Tho­mas Bütt­ner (Hei­del­berg), Denis Gänk­ler (Hal­le), Patrick Hein­rich (Duis­burg), Robert Hor­res (Tübin­gen), Hans Mar­tin Krä­mer (Bochum), Harald Mey­er (Zürich), Bet­ti­na Rabe (Hei­del­berg), Ste­fa­nie Schä­fer (Tübin­gen), Anke Sche­rer (Bochum), Jan Schmidt (Hei­del­berg), Tino Schölz (Hal­le), Maik Hen­drik Sprot­te (Hei­del­berg), Det­lev Taran­c­zew­ski (Bonn), Robin Wei­chert (Hei­del­berg)

Das Tref­fen begann mit einem Vor­trag von Tho­mas Bütt­ner, der als Dis­ser­ta­ti­ons­pro­jekt die Kon­kur­renz der poli­ti­schen Eli­ten wäh­rend der Kriegs­zeit am Bei­spiel der poli­ti­schen Füh­rung der Tais­ei yoku­san­kai 1940–45 untersucht.
Die Grün­dung der Tais­ei yoku­san­kai soll­te expli­zit das Ziel ver­fol­gen, die bis dahin kon­kur­rie­ren­den Tei­le­li­ten inner­halb des poli­ti­schen Sys­tems (ins­be­son­de­re Par­tei­en, Büro­kra­tie, Mili­tär) unter dem Dach einer ein­heit­li­chen Orga­ni­sa­ti­on zu ver­ei­ni­gen, an deren Spit­ze der jewei­li­ge Minis­ter­prä­si­dent ste­hen soll­te. Gelang es nun aber in der Rea­li­tät, die­sen selbst­ge­setz­ten Anspruch umzusetzen?
Die­se Fra­ge soll im Dis­ser­ta­ti­ons­pro­jekt durch eine com­pu­ter­ge­stütz­te Ana­ly­se einer­seits bio­gra­phi­scher Daten (Zuge­hö­rig­keit zu Grup­pie­run­gen, Kar­rie­re­da­ten), ande­rer­seits funk­tio­na­ler Kri­te­ri­en beant­wor­tet wer­den, hier­durch wie­der­um sol­len Struk­tu­ren und Netz­wer­ke inner­halb der Tei­le­li­ten sicht­bar wer­den, die ihrer­seits eine kri­ti­sche Eva­lua­ti­on des For­schungs­stan­des zur Tais­ei yoku­san­kai ermöglicht.
Die sich an die Vor­stel­lung des Pro­jek­tes anschlie­ßen­de ange­reg­te Dis­kus­si­on wid­me­te sich vor allem metho­di­schen Fra­gen, ins­be­son­de­re dem Pro­blem, inwie­weit die Daten, die zur Ana­ly­se der Netz­wer­ke die­nen sol­len, tat­säch­lich Rück­schlüs­se auf die ein­gangs for­mu­lier­te Fra­ge­stel­lung — hier wie­der­um vor allem der qua­li­ta­ti­ven Dimen­si­on der Kon­flik­te zwi­schen den Tei­le­li­ten — zulassen.

Die sich als zwei­ter Pro­gramm­punkt anschlie­ßen­de Dis­kus­si­ons­run­de befass­te sich mit den Arbei­ten von Ogu­ma Eiji. In einem Input­re­fe­rat stell­ten Patrick Hein­rich und Hans Mar­tin Krä­mer die wich­tigs­ten Arbei­ten Ogu­mas — hier v.a. „Tan’itsu minz­o­ku shin­wa no kigen“ und „‘Mins­hu’ to ‘aiko­ku’. Sen­go Nihon no nas­hona­ri­zu­mu to kôkyôs­ei“ — vor und erläu­ter­ten damit sei­ne Sicht auf die japa­ni­sche Geschich­te des 20. Jahr­hun­derts. Dabei wur­de deut­lich, in wel­chem Maße Ogu­ma sich von tra­di­tio­nel­len Auf­fas­sun­gen zur japa­ni­schen Geis­tes­ge­schich­te distan­ziert. So zeigt er auf, dass der Pana­sia­nis­mus vor 1945 kei­nes­wegs nur pro­pa­gan­dis­ti­sche Funk­tio­nen erfüll­te, son­dern macht eine Viel­zahl von Bemü­hun­gen zur Schaf­fung eines mul­ti­eth­ni­schen groß­ja­pa­ni­schen Rei­ches aus; im Gegen­zug sei die The­se von der eth­nisch homo­ge­nen japa­ni­schen Nati­on erst nach dem Ende des Impe­ri­ums domi­nie­rend in den japa­ni­schen Iden­ti­täts­dis­kur­sen domi­nant gewor­den. Für die poli­ti­schen Dis­kur­se der Nach­kriegs­zeit zeigt Ogu­ma an einer Viel­zahl von Schlüs­sel­ka­te­go­rien und Begrif­fen auf, dass es um das Jahr 1960 eine Ver­schie­bung gege­ben hat, die recht­fer­ti­ge, die Nach­kriegs­zeit ins­ge­samt in ein ers­tes und zwei­tes sen­go zu unterteilen.
Die anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on setz­te sich kri­tisch mit den The­sen Ogu­mas aus­ein­an­der, wobei ins­be­son­de­re die kon­kre­ten Zuord­nun­gen von ein­zel­nen Autoren und/oder Begrif­fen zu Ogu­mas Kate­go­rien hin­ter­fragt wurden.

Der Sonn­tag begann mit einem Vor­trag von Nico­le Alt­mei­er, die die vor­läu­fi­gen Ergeb­nis­se ihrer Dis­ser­ta­ti­on zum The­ma „Geschichts­dar­stel­lung in Japans Staats­parks: Natio­na­le Büh­ne und gefühl­te Authen­ti­zi­tät“ vor­stell­te. Dabei stell­te sie nach einem Über­blick über die Geschich­te von Parks in Japan seit der Meiji-Zeit am Bei­spiel der drei Staats­parks Asuka, Yoshi­no­g­a­ri und Oki­na­wa sehr anschau­lich her­aus, wel­che Bedeu­tung das Kon­zept der Regio­nal­för­de­rung ursprüng­lich für die Anla­ge die­ser Staats­parks hat­te; ent­spre­chend wich­tig ist bis heu­te die Rol­le der Zen­tral­re­gie­rung als Geld­ge­ber. Schließ­lich wur­de ver­deut­licht, dass bei der Kon­zep­ti­on der Anla­gen — ins­be­son­de­re den rekon­stru­ier­ten Ele­men­ten — gefühl­te Authen­ti­zi­tät und the­ma­ti­sche Geschlos­sen­heit wich­ti­ger sind als der Anspruch auf his­to­ri­sche Genauigkeit.

Der vier­te Pro­gramm­punkt schließ­lich wid­me­te sich dies­mal vor allem der Vor­stel­lung von Pro­jek­ten und der Dis­kus­si­on orga­ni­sa­to­ri­scher Fragen:

Maik Hen­drik Sprot­te stell­te einen Brief der Gesell­schaft für Japan­for­schung vor, in dem die­se eine Ver­lin­kung der Home­page der Initia­ti­ve mit der der GJF vor­schlägt. Die­ser Vor­schlag wur­de ein­stim­mig ange­nom­men; als Ansprech­part­ner der Initia­ti­ve soll Maik Sprot­te fun­gie­ren. Wei­ter­hin wur­de eine Über­ar­bei­tung des Inter­net­auf­tritts der Initia­ti­ve angeregt.

Hans Mar­tin Krä­mer stell­te ein Daten­bank­pro­jekt für das Inter­net vor, dass die Anre­gung des Bochu­mer Tref­fens zur biblio­gra­phi­schen Erfas­sung von japa­ni­schen Quel­len in west­li­cher Über­set­zung auf­greift. Die­ses soll bis zum nächs­ten Tref­fen der Initia­ti­ve im Novem­ber eine Test­pha­se durch­lau­fen und dann auch der Öffent­lich­keit zugäng­lich gemacht werden.

Maik Sprot­te erin­ner­te in die­sem Kon­text noch ein­mal an die von ihm und Jan Schmidt gestal­te­te Biblio­gra­phie zur his­to­ri­schen Japan­for­schung und bat um die Zusen­dung wei­te­rer Ein­trä­ge. Erfasst wer­den alle deutsch­spra­chi­gen Bei­trä­ge zur his­to­ri­schen Japan­for­schung, die nach dem 01.01.2003 erschie­nen sind.

Wei­ter­hin berich­te­te Maik Sprot­te von eine für den 1.–3. Dezem­ber die­sen Jah­res geplan­te Tagung zum Russisch-Japanischen Krieg mit Betei­li­gung ver­schie­de­ner Ein­rich­tun­gen der Uni­ver­si­tät Heidelberg.

Die Geschichts­sek­ti­on des Japa­no­lo­gen­tags in Bonn (12.–15. Sep­tem­ber 2006) wird sich mit dem The­ma „Erin­nern und Geden­ken“ befas­sen. Es wird gebe­ten, mög­lichst früh Rück­spra­che zu hal­ten und Vor­trags­vor­schlä­ge spä­tes­tens bis zum 31.12.2005 zusam­men mit einer Zusam­men­fas­sung von nicht mehr als einer Sei­te an Herrn Prof. Dr. Zöll­ner zu senden.

(Pro­to­koll: Tino Schölz)

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favicon026. Tref­fen am Ost­asia­ti­schen Semi­nar der Uni­ver­si­tät Zürich am 5. und 6. Novem­ber 2005:

Anwe­send in Zürich waren: Eva Bur­zyn­ski (Hal­le), Diet­mar Ebert (Bochum), Judith Fröh­lich (Zürich), Denis Gänk­ler (Hal­le), Adri­an Ger­ber (Bern), Eva Giger (Zürich), Dirk Has­ler (Regens­burg), Hans Mar­tin Krä­mer (Bochum), Ste­fa­nia Lot­tan­ti (Zürich), Harald Mey­er (Zürich), Peter Pant­zer (Bonn), Hein­rich Rein­fried (Zürich), Fran­zis­ka Sai­to (Yoko­suka), Anke Sche­rer (Bochum), Jan Schmidt (Hei­del­berg), Tino Schölz (Hal­le), Urs Sie­grist (Zürich), Wolf­gang Sei­fert (Hei­del­berg), Maik Hen­drik Sprot­te (Hei­del­berg), Danie­la Tan (Zürich), Det­lev Taran­c­zew­ski (Bonn)

Das Pro­gramm begann am Sams­tag mit einem Vor­trag von Adri­an Ger­ber zu sei­ner kürz­lich erschie­ne­nen Dis­ser­ta­ti­on „Gemein­de und Stand. Die zen­tral­ja­pa­ni­sche Ort­schaft Ôyama­za­ki im Spät­mit­tel­al­ter. Eine Stu­die in trans­kul­tu­rel­ler Geschichts­wis­sen­schaft“. Ger­ber ver­folg­te mit sei­ner Arbeit zwei Zie­le, zunächst ein geschichts­wis­sen­schaft­li­ches, näm­lich den Über­gang vom Mit­tel­al­ter zur Frü­hen Neu­zeit anhand eines Fall­bei­spie­les näher zu unter­su­chen, sodann ein erkennt­nis­theo­re­ti­sches, näm­lich ein heu­ris­ti­sches Kon­zept für trans­kul­tu­rel­le For­schung zu entwickeln.

Der empi­ri­sche Teil behan­del­te schwer­punkt­mä­ßig die Fra­ge nach Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tu­ren und Herr­schafts­for­men. Die­se lässt sich für die süd­lich von Kyô­to gele­ge­ne Ort­schaft Ôyama­za­ki zunächst anhand von Quel­len, die von reli­giö­sen Orga­ni­sa­tio­nen her­rüh­ren, beant­wor­ten. Drei Quel­len­krei­se seit dem 14. Jahr­hun­dert beschrei­ben Orga­ni­sa­tio­nen, die in einem kul­ti­schen Zusam­men­hang bestan­den (loka­ler Kult einer Pro­zes­si­on vom Tennô-Berg her­ab; unab­hän­gi­ge Grund­herr­schaft des als ken­mon ein­zu­stu­fen­den Iwa­shi­mi­zu Hachimangû-Schreines; loka­ler Hachiman-Schrein). Mit dem Ônin-Krieg ver­schwan­den die­se drei Orga­ni­sa­tio­nen zuguns­ten des sôchû, was Ger­ber mit „Gemein­de“ über­setz­te. Etwas abs­trak­ter gefasst, fand auf Gemein­de­ebe­ne ein Wan­del von einer za-Struktur mit stren­gen for­ma­len Regeln und tra­di­tio­na­lem Rechts­den­ken hin zu einer -Struk­tur mit fle­xi­bler Zusam­men­set­zung von Gre­mi­en und rational-utilitaristischem Rechts­den­ken statt. Dem ent­sprach der lan­des­wei­te Wan­del von einem ken­mon-Sys­tem zu einem daimyô-ryôgoku-Sys­tem (Ter­ri­to­ri­a­li­sie­rung der Herr­schaft). Im erkennt­nis­theo­re­ti­schen Teil ging es Ger­ber ins­be­son­de­re um die Über­trag­bar­keit von Begrif­fen aus dem euro­päi­schen Mit­tel­al­ter auf japa­ni­sche Gege­ben­hei­ten. Ein Vor­ge­hen in vier Etap­pen siche­re eine sau­be­re Heu­ris­tik bei der trans­kul­tuel­len For­schung: 1. Ana­ly­se der deut­schen Begriff­lich­keit; 2. Ana­ly­se der Grund­be­grif­fe der japa­ni­schen For­schung; 3. Unter­su­chung der Erkennt­nis­se und Kon­zep­te zu For­schungs­fel­dern; 4. lokal­his­to­ri­sche For­schung, im vor­lie­gen­den Fall zu Ôyama­za­ki. Aus den Ergeb­nis­sen sei­ner Stu­die folg­ten für Ger­ber sowohl Fra­gen an die deut­sche Geschichts­wis­sen­schaf­ten nach der Gül­tig­keit ihrer Kri­te­ri­en und Begrif­fe als auch an die japanische.

Die anschlie­ßen­de Dis­kus­si­on kon­zen­trier­te sich stark auf begriffs­ge­schicht­li­che Fra­gen. Ob man Begrif­fe eher für ein deut­sches medi­ävis­ti­sches Publi­kum über­set­ze oder eher nah am Ori­gi­nal zu blei­ben ver­su­che, sei eine grund­sätz­li­che Fra­ge der Japa­no­lo­gie über­haupt, bzw. die Ver­mitt­lung für ein deut­sches Publi­kum sei ihre Auf­ga­be. Der Begriffs­klä­rung kom­me des­halb eine zen­tra­le Stel­lung zu, weil sie die Grund­la­ge für den his­to­ri­schen Ver­gleich lie­fe­re. Auch in moder­nen, anein­an­der ange­nä­her­ten Gesell­schaf­ten erüb­ri­ge sich die Fra­ge nach dem jeweils Indi­vi­du­el­len kei­nes­wegs, weil gera­de nach den his­to­ri­schen Erfah­run­gen der Neu­zeit mit Impe­ria­lis­mus und Kolo­nia­lis­mus die zwi­schen­staat­li­chen Bezie­hun­gen kom­pli­zier­ter gewor­den sei­en. Ein zwei­ter Dis­kus­si­ons­strang ent­sponn sich um die Bemer­kung, dass man die Aus­füh­run­gen zur eigen­stän­di­gen Gemein­de­ver­wal­tung ja auch als frü­hes Bei­spiel für eine auto­chtho­ne Ent­wick­lung zur Demo­kra­tie begrei­fen könn­te. Gegen die­se Annah­me spre­che aller­dings, dass Selbst­ver­wal­tung auf loka­ler Ebe­ne noch nicht mit Demo­kra­tie gleich­zu­set­zen sei: Es gebe immer endo­ge­ne Herr­schaft, weil sich auch in klei­nen Grup­pen sogleich Mäch­ti­ge­re her­vor­tä­ten und bestimm­te Herr­schafts­for­men im Klei­nen etablierten.

Dirk Has­ler stell­te eben­falls sei­ne kürz­lich fer­tig­ge­stell­te und in naher Zukunft erschei­nen­de Dis­ser­ta­ti­on vor. Sein Vor­trag trug den Titel „Völ­ker­recht­li­che Ver­trä­ge Japans nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Die Bedeu­tung his­to­ri­scher Erfah­rung und poli­ti­scher Pro­gram­ma­tik auf die Gestal­tung recht­li­cher Nor­men“. Das Erkennt­nis­in­ter­es­se Has­lers lag pri­mär auf der Fra­ge nach der in Japan vor­zu­fin­den­den Über­la­ge­rung der Rechts­krei­se, näm­lich der kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­schen Rechts­tra­di­ti­on und dem US-amerikanischen case law. Die kon­f­li­gie­ren­den Anschau­un­gen wür­den im Völ­ker­recht z.B. in der Fra­ge sicht­bar, ob 1945 der besieg­te Staat fort­be­stan­den habe: Nach US-amerikanischer Auf­fas­sung sei dies der Fall gewe­sen, nach kon­ti­nen­tal­eu­ro­päi­scher und häu­fig auch japa­ni­scher jedoch nicht. Has­ler skiz­zier­te abwech­selnd die juris­ti­schen und die poli­tik­wis­sen­schaft­li­chen Aspek­te der außen­po­li­ti­schen Situa­ti­on Japans in den Jah­ren bis zum Abschluss des zwei­ten Sicher­heits­ver­tra­ges mit den USA 1960. Poli­tisch gese­hen habe Japan sich bemüht, eine Posi­ti­on zwi­schen Nähe und Distanz zu den USA zu ent­wi­ckeln, aus der dop­pel­ten Sor­ge her­aus begrün­det, auf­ge­ge­ben oder hin­ein­ge­zo­gen zu wer­den. Dabei habe man sich letzt­lich eines instru­men­tel­len Pazi­fis­mus im Umgang mit den USA bedient, der im Wesent­li­chen schon in den Debat­ten wäh­rend der Besat­zungs­zeit ent­wi­ckelt wor­den sei.

Die Dis­kus­si­on frag­te zunächst nach der Dyna­mik der Ver­trags­schlüs­se: Inwie­fern war die japa­ni­sche Hand­schrift in den Ver­trä­gen sicht­bar? Has­ler zufol­ge kön­ne davon in den ers­ten Jah­ren nach Kriegs­en­de kei­ne Rede gewe­sen sein; erst im zwei­ten Sicher­heits­ver­trag und dann v.a. in den Defen­se Gui­de­lines von 1971 sei der japa­ni­sche Anteil sicht­bar gewach­sen. Dage­gen wur­de ein­ge­wandt, schon der Frie­dens­ver­trag von San Fran­cis­co möge ja auf US-amerikanischen For­mu­lie­rung basiert haben, habe aber den­noch schon damals den Inter­es­sen der japa­ni­schen Eli­ten ent­spro­chen. Sodann ging es dar­um, wo eigent­lich die Kon­tro­ver­se beim The­ma lie­ge, eigent­lich sei doch die recht­li­che Lage ein­deu­tig. Has­ler erwi­der­te, die Aus­höh­lung von Arti­kel 9 in der tat­säch­li­chen poli­ti­schen Pra­xis bedeu­te noch lan­ge kei­ne recht­li­che Klar­heit. Viel­mehr wer­de der Arti­kel 9 bis heu­te von der Mehr­heit der Kom­men­ta­re so aus­ge­legt, dass er die Neu­tra­li­tät Japans garan­tie­re. Außer­dem beru­he die japa­ni­sche Rechts­auf­fas­sung auf dem Prin­zip ›Macht folgt Recht‹, und es sei inter­es­sant zu sehen, wie das Rechts­we­sen mit der umge­kehr­ten Pra­xis ›Recht folgt Macht‹ umge­he. Ein abschlie­ßen­der Kom­men­tar reg­te an, doch die Rechts­kul­tur stär­ker zu berück­sich­ti­gen: In Japan sei es nun ein­mal üblich, Rechts­tex­te lie­ber unge­än­dert zu las­sen, dafür aber nicht hun­dert­pro­zen­tig wört­lich zu neh­men, was auch den ver­meint­li­chen Wider­spruch im Umgang mit Arti­kel 9 erklä­ren könne.

Am Sonn­tag Vor­mit­tag stell­te Harald Mey­er sei­ne kürz­lich erschie­ne­ne Habi­li­ta­ti­ons­schrift „Die ›Taishô-Demokratie‹. Begriffs­ge­schicht­li­che Stu­di­en zur Demo­kra­tie­re­zep­ti­on in Japan von 1900 bis 1920“ vor. Aus­gangs­punkt der Arbeit sei ein Buch von Abe Isoo zur Schweiz als idea­lem Land der Demo­kra­tie gewe­sen, das man als frü­hen Bei­trag zum Demo­kra­tie­dis­kurs der Taishô-Zeit lesen kön­ne. Im Gro­ßen gese­hen kön­ne man sagen, in der Taishô-Zeit sei das Feld (näm­lich der Demo­kra­tie) urbar gemacht wor­den, das dann spä­ter (nach 1945) bepflanzt wer­den konn­te. Der Demo­kra­tie­dis­kurs sei zwar um etwa 1920 abge­bro­chen, habe jedoch Erfah­run­gen und Ori­en­tie­rungs­hil­fen für die Nach­kriegs­zeit zur Ver­fü­gung gestellt. Japan kön­ne durch­aus als Bei­spiel für die erfolg­rei­che Über­tra­gung des uni­ver­sel­len west­li­chen Demokratie-Gedankens gel­ten. Von den drei üüb­li­chen Fel­dern der For­schung zur Taishô-Demokratie (poli­ti­sche, sozia­le und geis­ti­ge Demo­kra­tie) habe Mey­er sich schwer­punkt­mä­ßig mit dem drit­ten befasst, also den Bewe­gun­gen von Intel­lek­tu­el­len. Inwie­fern der Demo­kra­tie­dis­kurs als Fak­tor außer­sprach­li­cher Ent­wick­lun­gen in Erschei­nung getre­ten sei, also die poli­ti­sche und sozia­le Ent­wick­lung beein­flusst habe, sei schwer zu beant­wor­ten, kön­ne aber zumin­dest für den Bereich der Poli­tik beson­ders anhand der Ein­füh­rung des all­ge­mei­nen Män­ner­wahl­rechts von 1925 dis­ku­tiert werden.

In der Dis­kus­si­on wur­de zunächst die von Mey­er getrof­fe­ne zeit­li­che Abgren­zung kri­ti­siert, sowohl nach vor­ne wie nach hin­ten. Ins­be­son­de­re die Jiyû min­ken undô wur­de als nahe­lie­gen­der Vor­läu­fer einer demo­kra­ti­schen Tra­di­ti­on genannt, außer­dem in Anknüp­fung an den Vor­tag auch kom­mu­na­le Selbstverwaltungs-Traditionen seit dem Mit­tel­al­ter. Dem wur­de ent­geg­net, dass Selbst­ver­wal­tung noch nicht gleich­be­deu­tend mit Demo­kra­tie sei, und dass die Prot­ago­nis­ten des Demo­kra­tie­dis­kur­ses der Taishô-Zeit sich aus­drück­lich als Impor­teu­re west­li­chen Gedan­ken­guts begrif­fen und auch nicht auf die Jiyû min­ken undô bezo­gen hät­ten. Von Inter­es­se war auch der Ver­gleich mit der Wei­ma­rer Repu­blik und Nachkriegs-Deutschland: Wel­che Bedeu­tung hat­te die Taishô-Zeit als Bezugs­er­eig­nis für die Nach­kriegs­zeit aus der sub­jek­ti­ven Sicht der Akteu­rIn­nen Japans nach 1945? Zumin­dest für die Dimen­si­on der Grund­rech­te, die bei der Ver­fas­sungs­ge­bung eine wich­ti­ge Rol­le spiel­ten, kön­ne durch­aus von einem posi­ti­ve Bezug auf die Taishô-Zeit gespro­chen wer­den. Abschlie­ßend behan­del­te die Dis­kus­si­on die Fra­ge, inwie­weit nicht die über­wie­gen­de Zahl der im behan­del­ten Zeit­raum für Demo­kra­tie Ein­tre­ten­den aus­ge­spro­che­ne Befür­wor­ter eines Impe­ria­lis­mus nach außen gewe­sen sei­en, was Mey­er nur für ein­zel­ne Aus­nah­men zubil­lig­te. Es wur­de auch die Fra­ge gestellt, ob nicht eine Kon­ti­nui­tät zwar nicht von Demo­kra­tie, aber von poli­ti­scher Par­ti­zi­pa­ti­on in ande­rer Form, auch durch die 1930er Jah­re hin­durch gege­ben gewe­sen sei. Man war sich einig, dass Demo­kra­tie und Impe­ria­lis­mus bzw. Natio­na­lis­mus kei­ne Gegen­sät­ze sei­en und man die­se Dimen­si­on bei der Unter­su­chung von Den­kern aus der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts beson­ders beach­ten müsse.

Unter dem Tages­ord­nungs­punkt Berich­te stell­te Hans Mar­tin Krä­mer eine Online-Datenbank von Quel­len in Über­set­zung vor. Die­se läuft im Pro­be­be­trieb unter http://dbs.rub.de/japanquellen/home.php. Ziel ist, biblio­gra­phi­sche Anga­ben zu japa­ni­schen his­to­ri­schen Quel­len in west­lich­spra­chi­ger Über­set­zung (der­zeit Deutsch, Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch und Spa­nisch) in einer Daten­bank mit Such­funk­ti­on ver­füg­bar zu machen. Die Daten­bank ist so kon­zi­piert, dass jeder Bei­trä­ge leis­ten kann, Kor­rek­tu­ren oder Löschun­gen jedoch nur von einem Admi­nis­tra­tor vor­ge­nom­men wer­den kön­nen. Besu­che­rIn­nen des Tref­fens und Lese­rIn­nen die­ses Berich­tes sind auf­ge­ru­fen, in die­se Daten­bank Ein­trä­ge ein­zu­spei­sen und Hin­wei­se zu geben, wie die Kate­go­rien (ins­be­son­de­re für Schlag­wör­ter und Quel­len­typ) noch ver­bes­sert wer­den kön­nen. In einer kur­zen Dis­kus­si­on wur­de ange­regt, die­se Daten­bank ange­sichts ihrer enor­men Bedeu­tung pro­fes­sio­nel­ler mit Inhal­ten fül­len zu las­sen und zu ver­su­chen, Mit­tel für die­sen Zweck ein­zu­wer­ben. Die Mög­lich­keit, etwa bei der DFG Mit­tel für eine Hilfs­kraft zur Pfle­ge einer sol­chen Daten­bank zu erhal­ten, soll bis zum nächs­ten Tref­fen eru­iert werden.

Maik Hen­drik Sprot­te wies auf ein Kol­lo­qui­um mit dem Titel „Der Russisch-Japanische Krieg (1904/05) — Anbruch einer neu­en Zeit?“ hin, das vom 1. bis 3. Dezem­ber 2005 in Hei­del­berg statt­fin­den wird. Sie umfasst Vor­trä­ge v.a. von Japan- und Russland- His­to­ri­ke­rIn­nen, berück­sich­tigt aber auch Per­spek­ti­ven aus ande­ren Tei­len der Welt.

Die Biblio­gra­phie zur his­to­ri­schen Japan­for­schung ist immer noch auf Mel­dun­gen von außen ange­wie­sen. Wer immer einen deutsch­spra­chi­gen, nach dem 1. Janu­ar 2003 erschie­ne­nen Bei­trag (Buch, Auf­satz, Zei­tungs­ar­ti­kel) zur japa­ni­schen Geschich­te kennt, ist auf­ge­ru­fen, die­sen zu mel­den. Die URL lau­tet http://www.historische-japanforschung.de. Die Sei­te wird der­zeit auf eine Daten­bank­lö­sung umge­stellt; außer­dem ist in Zukunft eine Aus­wei­tung des Berichts­zeit­rau­mes geplant.

(Pro­to­koll: Hans Mar­tin Krämer)

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